Kelten und Druiden in der Schweiz


Meinrad von Einsiedeln

[auch Meginrad, Meginrat, Heiliger Meinrad]

Die Rabensagen

In einer ursprünglich ganzheitlich [dreieinig] mit der Natur verbundenen Kultur [wie der früheren keltischen] ist die Beobachtung und Deutung der tatsächlichen Zusammenhänge selbstverständlich gegeben. Die Deutung der Zeichen aus dem Vogelflug wird von den antiken Autoren mehrfach erwähnt. Im Jahre 61 v.Chr. kam der Häduer Divitiacus in politischem Auftrag nach Rom und war dort Hausgast bei Cicero [De divinatione I 90]. Dieser Druide wird als naturkundig bezeichnet, er kenne Künftiges aus Vogelzeichen. [Bis heute im Volksmund erhalten ist aus keltischer Zeit der Klapperstorch]. Erst mit der Christianisierung, [das ist die neue Mission der katholischen Schulung nach dem Verbot und der Aufhebung der keltischen Schulen durch römische Kaiser], geriet die Beobachtung der Natur zunehmend in Verruf als Merkmal für Ungläubige und Abtrünnige. Der Physiologus, der in seiner Entstehung bis ins 2. Jh. zurück reicht ist neben der Bibel das meist verbreitete Werk des Mittelalters. Merkwürdigkeiten und Besonderheiten der Tierwelt werden hier theologisch gedeutet: die Rede ist von den Tieren, was sie geistlich bedeuten. Farbe und Form stellen nur eine Frage: Was will der [Christen-]Gott damit mitteilen? Die Menschen sollen glauben, damit sie verstehen. Der Rabe erscheint als Pech-Vogel und Unglück-Rabe verbunden mit einer Ideologie der Hermeneutik, die Auslegung grundlegender Texte der Bibel und Gesetze sei durch stellvertretende Symbolik zu verstehende Wissenschaft. Durch die Hermeneutik des Mittelalters werden die Raben verdammt zu einer alleinigen Rolle als Unglücks- wenn nicht gar Teufelsboten und Galgenvögel.

Tatsächlich sind die Raben-Vögel unter allen Vögeln vermutlich die intelligentesten. Der Stimmkopf der Raben ist besonders kompliziert ausgebildet. Raben beherrschen einen leisen Plauder-Gesang und haben ein grosses Stimm-Spektrum, können Stimmen nachahmen auch wenn sie gewöhnlich nur krähen oder krächzen. Die Rabenvögel werden an die Spitze der Singvögel gestellt wegen ihren für Vögel erstaunlichen Fähigkeiten, ihre Grösse und ihr komplexes Verhalten.

Ida von Toggenburg Viele alte Sagen und Legenden, [Idda von Toggenburg 12. Jh., Merseburg im 15. Jh.], rund um den Raben haben einen Zusammenhang mit einer Handlung, welche modern unter dem Titel Justiz-Irrtum erfasst werden könnte: Oft ist ein Rabe als diebische Elster etwa für das Verschwinden eines Ringes der Auslöser einer auf Vermutung und Ahnung abstützenden endgültigen Tat, welche sich im Nachhinein als falsch erweist. Der verschwundene Ring hat aber keinen Bezug zum neuen, romantischen Bekenntnis von Liebe und Treue in der Moderne, sondern meint den keltischen offenen Ring von Cernunnos, was im Bild zu der Sage um Ida von Toggenburg durch den leuchtenden Hirsch klar zum Ausdruck kommt.

Die Sage von den beiden Raben vom Etzel

Vielschichtiger als die allgemein bekannten Rabensagen ist die ältere Sage von den Meinradsraben aus dem 9. Jh.: Hier sind die Raben noch treue Begleiter, Wächter bzw. Vorankündigende und nach dem Mord die Zeugen der Tat. Die Legende handelt in einem strategisch wichtigen Gebiet der Schweiz, der Linth-Ebene zwischen Zürichsee und Walensee. Hier führte die alte Römer-Strasse von Zürich nach Chur und weiter zu den Alpen-Übergängen durch dieses den Verkehr per Schiff bedingende Sumpf-Gebiet mit einigen Riedwegen und hier war die Sprachgrenze zwischen deutsch und romanisch. Um die Zeitenwende gehörte das Gebiet der Linthebene zur römischen Provinz Rätia und war von Kelten bewohnt. Die Viten-Tradition der irischen Wander-Mönche Kolumban und Gallus überliefert im Jahr 610 eine in keltischen Bräuchen verhaftete Bevölkerung sowie den erfolglosen Versuch einer Bekehrung zum dualen christlichen Denken. Nach den Legenden ist das von der Linth-Ebene abzweigende Glarnerland auch vom Fridolin besucht worden. Das Vordringen der Alemannen in die Schweiz im 6. und im 7. Jh. überlagerte nach und nach die romanisierte keltische Bevölkerung. Der wirtschaftliche Besitz über das Grenzland zwischen Rätien und Alemannien wechselte ständig. Noch heute verfügt keine andere Region der Schweiz auch nur annähernd über ein so vielfältiges Masken-Brauchtum der Fasnacht wie die schwyzerischen Bezirke Höfe und March am Zürichsee und der Linth-Ebene.

Unter dem Vorwand einer modern so genannten Christianisierung mit ihren Kapellen zur belehrenden Andacht wurden vom besitzenden Adel [erste Landnahme mit dem Faustrecht der Stärkeren] die Klöster zur Verwaltung und Bewirtschaftung ihrer Vermögen sowie die Schulen für den Nachwuchs der adeligen Herrschaft eingerichtet. Dies war zu jener Zeit für alle Adeligen eine zur Not gewordene Gewohnheit, dass, wenn sie ihre Kinder in guten Sitten und Wissenschaften unterrichten lassen wollten, sie solche schon als kleine Kinder in die Klöster verschicken mussten; weil nämlich fast nirgend anderswo zur Unterweisung der Jugend Schulen anzutreffen waren.

Meinrad Nach den Angaben der ältesten Vita sive passio venerabilis heremitae Meginrati, [Leben oder die Leidenschaft vom ehrwürdigen Einsiedler Meinrad], wurde ein junger Graf im alemannischen Adel, geboren 797 zur Zeit von Karl dem Grossen in Sülchen [Sulichi] im Sülichgau [südlich von Stuttgart zwischen Rottenburg am Neckar und Tübingen], im Alter von fünf Jahren dem Kloster Reichenau übergeben zur Erziehung und Unterrichtung durch den damaligen Abt Hatto, seinem nahen Vetter, wie auch dem Erlebald, der zu dieser Zeit mit grösstem Ruhme Wissenschaften lehrte und ebenfalls sein nächster Blutsverwandter war.

Als Erlebald Abt geworden, legte dieser seinem Verwandten nahe, ins Kloster einzutreten. Nach Abschluss seiner Profess kam der junge Mönch als Lehrer an die für christliche Alemannen errichtete Klosterschule von Babinchova bei Benken am Tuggenersee, wo 200 Jahre früher schon Kolumban und Gallus fluchtartig die Gegend verlassen mussten [andere Quellen verorten eine der Reichenau zugehörige Schule in Ober-Bollingen am oberen Zürichsee bei Rapperswil]. Einige Jahre später zog er in den Finstern Wald, von der Vita Heremum geheissen, um sich hier eine Stätte aufzusuchen, an der er als Einsiedler ungestört leben könnte. Möglicherweise holt er im Königshof in Cham [villa Chama] die Erlaubnis, sich in der Einöde niederlassen zu dürfen.

Im Grütz, nahe Allenwinden, steht neben der Kapelle der Meinrad-Stein. Der Legende nach ruhte sich darauf der wandermüde Meinrad aus, nachdem er den Königshof Cham besucht hatte und über Zug zurück zum Finsteren Wald ins schwyzerische Hochtal zog.

Mit einer lieben Frau, die Legenden erwähnen eine reiche Witwe in Altendorf am Fusse des Etzel, traf er die Vereinbarung, ihn mit den notwendigen Lebensmitteln zu versehen. Nachdem alles vorbereitet war, schied er von seiner bisherigen Tätigkeit und zog an die Stätte, die er sich ausersehen, [die Überlieferung bezeichnet den Etzelpass als diesen Ort], nicht weit weg von der Wohnstätte jener lieben Frau. Aus der Lebens-Beschreibung scheint hervorzugehen, dass auch noch andere Eremiten in dieser Gegend lebten, denn es heisst ausdrücklich: necessaria prebente ei praedicta matrona necnon et aliis religiosis viris, [ihr Mentor, sowie die erforderliche Berechtigung und andere religiöse Männer]. Sieben Jahre lebte er hier, dann aber trieb ihn das Verlangen nach grösserer Einsamkeit tiefer in den Wald hinein, wo ihm eine Äbtissin Heilwiga [nicht Hildegardis] und Ordens-Männer [adiuvantibus religiosis viris] beim Bau einer neuen Klause halfen an jener Stelle, wo sich heute die Gnaden-Kapelle im Kloster Einsiedeln befindet.

EtzelAlle Legenden berichten von einer Eremiten-Klause im 9. Jh. auf dem Etzel-Pass mit einem kraftvollen Ratgeber, althochdeutsch megin Rat, dem Meginrat [Meinrad von Einsiedeln]. Der Etzel-Berg [erwähnt 1261 Mons Ezzelinus] zwischen dem Zürich-See und dem Sihl-Fluss leitet seinen Namen ab von Eczelin, Etzlin = Elster, ein Rabenvogel. Auf seinem Weg vom finsteren Wald am Etzel in das Hochtal der Sihl, [vor dem Aufstau des Sihlsees 1937 war das Sihl-Hochtal eine weite Ebene mit Moor-Landschaft], auf diesem Weg habe der Eremit zwei von einem Sperber [Habicht] bedrohte junge Raben aus ihrem verwaisten Nest gerettet und als seine ständigen Begleiter aufgezogen.

Die bebilderte Legende von 1466 zeigt, wie der Einsiedler in der Wildnis von bösen Ahnungen geplagt wird und verbindet diese Vorschau mit den Raben. Als die beiden Mörder den finsteren Wald betraten, sollen die Raben mit wildem Krächzen und Flügelschlag auf das kommende Unglück hingewiesen haben. Die Raben werden Zeugen, wie ihr fürsorglicher Raben-Vater erschlagen wird von, ausdrücklich erwähnt, einem Alemannen und einem Räter. Sie verfolgen die Mörder, angriffig, zum Zürichsee und hinunter nach Zürich. Dort, in einem Wirtshaus an der Schifflände stürzen sie sich durchs Fenster auf die Täter und werden erkannt als die Meinrads-Raben. Der Mord wird geklärt, die Täter sind überführt und werden geschleift, gerädert und verbrannt. Die beiden Raben seien in ihr nun wiederum verwaistes Nest im finsteren Wald zurück gekehrt.

 

Die mit Holzschnitten illustrierte Meinrad-Legende von 1466 [PDF-Datei anklicken] Meinrad-Legende

Zwei Raben erscheinen im 15. Jahrhundert auch im
Zusammenhang mit dem Drachen-Bezwinger Beatus:

Beatus-Drache